Man kann von Fußballfans nicht erwarten, dass sie jede Handlung von Bundesliga-Bossen verstehen. Sie wollen zuallererst eine hungrige Mannschaft und genügend Siege, um die Saisonziele zu erreichen. Bei Borussia Dortmund sieht es im Moment gut aus.
Und auch das wollen Fußballfans: Ehrlichkeit in ihrem Verein. Nicht immer können die Leute in der Vereinsführung offenlegen, was sie tun und denken. Aber Schauspielerei und Flunkerei verderben das Vertrauen unter den Fans. Es ist ein Balance-Akt für jeden Macher in der Liga.
Darum war auffällig, was Hans-Joachim Watzke gesagt hat. Sein Interview in unseren Zeitungen und Online-Portalen am Samstag wirkt wegweisend und außerordentlich wichtig für den Klub. Der BVB-Geschäftsführer muss das große Ganze im Blick haben. Auch bei Gegenwind.
Seit Monaten liegt eine Beklemmung über Borussia Dortmund, wie es um das Binnenverhältnis bestellt ist: Wie stark ist die Bande noch zwischen der Vereinsführung und ihrem Trainer Thomas Tuchel? Die Nachwirkungen des Bombenattentats haben die Debatte zwischenzeitlich überlagert.
Jetzt ist die Diskussion wieder da. Und das einzige, was Watzke mit seinem Interview bewiesen hat, ist: Ehrlichkeit. Er hat den Dissens mit Tuchel bestätigt und seine Irritation über die Außendarstellung interner Verabredungen. Nicht mehr. Nicht weniger.
Obendrein hat Watzke gesagt, was von leitenden Angestellten erwartet wird: Neben dem sportlichen Erfolg eine gemeinsame Strategie und Kommunikation — sowie Vertrauen. Was ist daran falsch? Manche werden sagen: der Zeitpunkt. Wann ist denn der richtige Zeitpunkt?
* Vor der Saison, wenn alle Beteiligten mit besten Absichten in die neue Spielzeit starten?
* Während der Hinrunde, wenn noch nichts entschieden und alles zu reparieren ist?
* In der Winterpause, wenn alle Beteiligten Besserung in der Rückrunde geloben?
* Während der Rückrunde, wenn jedes Spiel wie ein Finale wirkt?
* Nach Saisonende, wenn alles gelaufen und keine Kurskorrektur mehr möglich ist?
Um es kurz zu sagen: Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt, sondern nur: ein Richtig oder Falsch. Watzke hat in den schlimmsten Zeiten des BVB so viele richtige Entscheidungen getroffen, dass ihm Kredit gewährt werden sollte, dass er auch nun nicht fahrlässig, sondern aufrichtig handelte.
Denn Watzke würde niemals etwas tun, was den Erfolg von Borussia Dortmund gefährden könnte. Offenbar erschien ihm die Einordnung in der Causa Tuchel zielführend. Vermutlich kennen wir nur einen Bruchteil von dem, was ihn zu seiner Intervention verleitet hat.
Oder glaubt jemand ernsthaft, Watzke hätte die Wucht seiner Aussagen unterschätzt? Ein Mann, der mit den Größten im Weltfußball auf Augenhöhe verhandelt? Einer, der von einer hervorragenden Presseabteilung umgeben und beraten wird?
Wäre Watzke tatsächlich so eitel, wie einige Fans behaupten, die ihn nicht kennen, hätte er exakt andersherum gehandelt. Dann hätte Watzke die neue Popularität des Trainers opportun genutzt und wäre nicht den unbequemen Weg gegangen.
Schwache Anführer hätten in dieser Situation geschwiegen und die Dinge laufen lassen. Notfalls ins Verderben. Starke Anführer packen die Dinge aus einer Position der Stärke an, bevor die Lage in die falsche Richtung rutscht. Eines ist unzweifelhaft: Watzke ist ein starker Anführer.
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